2024-09-27
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natasha warding
in einer sommernacht im jahr 2013 suchte die deutsche schriftstellerin natasha wardin wie üblich im russischen internet nach dem namen ihrer mutter. sie sah eine nachricht mit demselben namen wie ihre mutter, aus der hervorgeht, dass der namensinhaber in mariupol, einer ukrainischen stadt am nordufer des asowschen meeres, geboren wurde. in der vorstellung des autors hat diese stadt, die immer von schneestürmen heimgesucht wird, tatsächlich ein mildes klima, „sie hat lange und breite sandstrände, weinanbauhügel und endlose sonnenblumenfelder.“
vorstellung und realität verkehren sich, es entstehen unwirkliche gefühle. nach und nach erfuhr der autor, dass in seiner einzigen erinnerung die mutter, die mit anfang zwanzig aus der ukraine zur zwangsarbeit verschleppt wurde, ursprünglich aus einer im niedergang begriffenen adelsfamilie stammte. die ausgrabungen der geschichte intensivieren sich. im autobiografischen werk „she came from mariupol“ hielt natasha wardin 2017 ihren prozess der suche nach dem leben und der familiengeschichte ihrer mutter fest. dieses werk und die nachfolgenden veröffentlichungen „der mann im schatten“ und „nastyas tränen“ bilden die „mariupol-trilogie“, zusammengesetzt aus der fragmentierten persönlichen geschichte des autors, in der mutter, vater und andere stammesangehörige in den tiefen verschwunden sind geschichte und heimat. das leben der einfachen leute während der stalinzeit, die betrogenen östlichen arbeitergruppen während des zweiten weltkriegs, die vertriebenen im nachkriegsdeutschland und die traumata, denen sie weiterhin ausgesetzt waren ... diese historischen fragmente des 20. jahrhunderts tauchten auch zusammen mit dem schicksal von auf echte menschen, und sie sind mit der aktuellen situation eng verbunden und erklären, dass alles, was passiert ist, nie wirklich zu ende gegangen ist.
im mai 1942 sollten junge frauen zur zwangsarbeit nach deutschland geschickt werden.
vor den ermittlungen wusste natasha wardin sehr wenig über ihre eltern. sie wusste nur, dass sie arbeiter aus der sowjetunion gewesen waren. seit nazi-deutschland im juni 1941 seinen angriff auf die sowjetunion begann, wurden millionen einwohner der von deutschland besetzten sowjetunion zur zwangsarbeit nach deutschland transportiert, um die durch den krieg entstandenen arbeitskräfte zu besetzen. sie tragen einheitlich ein blaues abzeichen mit der aufschrift „ost“ auf ihren schultern. ihre behandlung ist nicht viel besser als die in den konzentrationslagern der nazis. sie arbeiten mehr als 12 stunden am tag und sechs tage lang eine woche und manchmal auch am wochenende. fehler werden in verschiedenen formen bestraft, unter anderem durch erschießen. aus den zurückgelassenen arbeitsbescheinigungen geht hervor, dass die eltern des schriftstellers arbeiter der deutschen atg-maschinenfabrik waren. sie wurden 1944 nach deutschland verschifft. sie arbeiteten für atg bis zur befreiung deutschlands.
zwangsarbeiter mit „ost“, die im januar 1945 aus dem konzentrationslager lodz, polen, befreit wurden.
so wie ich mir das frühe leben meiner mutter in mariupol vorstellte: „sie ging mit dem einzigen mantel, den sie trug, durch die grauen, schneebedeckten straßen und gelangte in einen unergründlichen raum, in dem es immer einen schneesturm gab“, während der autor von den wehenerfahrungen seiner mutter erfuhr begann sich häufig vorzustellen, wie sie hunger, krankheit und kälte überlebte. dies war nicht nur der leidensvolle lebenslauf einer frau, der aus den verbleibenden historischen daten zusammengestellt wurde, sondern auch ein spiegelbild des verständnisses der autorin darüber, wie sie hunger, krankheit und kälte überlebte das ständige leid der vorstellungskraft und des hinterfragens wirft frauen immer wieder in die „unergründlichkeit“ zurück – wie sieht eine echte mutter aus? die ans licht gebrachte wahrheit gibt dem autor keine antwort. 1956 beging ihre 36-jährige mutter selbstmord, indem sie sich in einem fluss ertränkte. natasha warding war damals zehn jahre alt. „wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe“ – das gemurmel dieser mutter zieht sich wie letzte worte durch das leben der schriftstellerin von der kindheit bis zur gegenwart und ist zu einer ewigen frage geworden.
der autor zeichnete nicht nur die erfahrungen seiner eltern als arbeiter im werk nach, sondern nutzte auch die sonderstellung seiner eltern, um die peinliche situation dieser gruppe im nachkriegsdeutschland zu beschreiben. obwohl die befreiung deutschlands ihre freiheit wiedererlangte, bedeutete dies nicht, dass sie nicht in die sowjetunion zurückkehren konnten, wo ihnen hochverrat vorgeworfen würde nicht anders: sie haben weder arbeit noch wohnung und werden aufgrund ihres status als außenseiter diskriminiert. ihre geister und körper scheinen schon seit langem getrennt zu sein. ersterer freut sich immer darauf, sich auf den weg in die heimat zu machen, während letzterer schon seit langer zeit hier eingesperrt ist. in „people in the shadows“ hat natasha warding die fast paranoide lebenseinstellung ihres vaters festgehalten. er weigerte sich zeitlebens, deutsch zu lernen, und lehnte deutsches essen ab „ich kaufe etwas ähnliches wie russisches essen, wie sardinen, fetakäse, paprika und rohes sauerkraut, bestreue es mit pfeffer und tunke es in öl.“ nachdem er fast 50 jahre in deutschland gelebt hatte, bestand mein vater immer darauf, selbst ein russe zu sein spirituelle welt.
im april 1945 lehnte ein ostarbeiter sein gepäck ab. sie wurde von der siebten us-armee gerettet und wartet auf ihre zwangsrückführung nach russland.
während „she came from mariupol“ vom autor zum gedenken an seine mutter geschrieben wurde, ist „the man in the shadow“ eher eine anklage und mitleid für seinen vater. dieser mann aus dem herzen russlands, der als kind chorleiter war, verließ sich auf seine singstimme, um seine familie zu ernähren, und schuf einst gute materielle bedingungen für seine familie. im familienleben hinterließ er jedoch oft eine raue seite warf seiner mutter vor, nicht wie deutsche frauen zu sein. sie räumen auch das haus auf und ärgern sich über das ungenießbare essen auf dem tisch. nach dem tod ihrer mutter trat natasha warding die nachfolge ihrer mutter an und wurde zur zielscheibe der scharfen kritik ihres vaters. alles, was ihren vater unzufrieden machte, kann zu gewalt führen. sie hatte keine freiheit. „er erlaubte mir nicht, alles zu tun, was deutsche mädchen tun konnten. ich konnte nicht ins kino gehen, nicht tanzen, keine neuen klamotten kaufen und ich hatte kein taschengeld.“ von ihnen wird verlangt, das zu tun, was deutsche tun, aber es ist ihnen verboten, deutsche zu werden. die art und weise, wie sein vater seine familie behandelt, spiegelt die gemischte minderwertigkeit und den stolz in seinem herzen wider es gibt einen fremden, der es nicht geschafft hat, sich zu integrieren – das „volk, das sich im schatten versteckt“, ein nationaler komplex, den er nicht loslassen will, und eine erfahrung als arbeiter und als flüchtling sind die beiden kräfte unterstützen sie seine innere welt.
von nazi-deutschland bereitgestellte zwangsarbeitsdokumente
natasha warding schrieb „the man in the shadows“ nach dem tod ihres vaters. vor seinem tod war sein vater krankheitsbedingt gelähmt und wurde in ein pflegeheim eingeliefert. sein russischer lebensstil endete und sein leben musste der pflegekraft und seiner tochter übergeben werden. im angesicht seines sterbenden vaters schrieb der schriftsteller: „hass und mitleid waren in meinem körper miteinander verflochten – ich habe meinen vater in meiner kindheit und jugend gehasst, und ich habe mitleid mit dem einsamen, kranken alten mann, der ich jetzt bin. von anfang bis ende war mein leben so.“ voller emotionen. früher hat er mich mit gewalt eingesperrt, aber jetzt nutzt er seinen eigenen schmerz und seine hilflosigkeit, um mich einzusperren, was noch schwieriger zu widerstehen ist als die gewalt seiner vergangenheit besitz."
nach dem erwachsensein veranlasste der rückblick auf die geschichte ihrer eltern und die auseinandersetzung mit den familiären beziehungen die schriftstellerin, ständig nach ihrem platz in der welt zu suchen. dieser unbewusste wunsch, sich selbst zu verwirklichen, begann in ihrer kindheit zu keimen von der außenwelt lernen, sich trost und anerkennung von der welt verschaffen, sich gegenüber ihrem vater wie ein deutsches mädchen kleiden und denen, die ihr nahestehen, blind vertrauen. als nachfahrin von flüchtlingen und verbannten sind die diskriminierenden namen von außenstehenden jedoch ein unauslöschlicher abdruck für sie. die art und weise, wie sie sich in dieser welt anerkennung verschafft, beruht eher auf nächstenliebe – manchmal mit guten absichten, häufiger mit bosheit so wie ein deutscher junge sie eines tages küssen und sie ein paar tage später eine russische hure nennen kann.
einerseits ist es das stille leben der väter, die sich nach und nach unter den verwüstungen des krieges abschotten, und andererseits ist es die wachstumserfahrung des autors, in dieser rauen inneren und äußeren umgebung ignoriert und kontrolliert zu werden. „menschen im schatten“ scheint eine andere bedeutung zu haben: nicht nur die eltern, sondern auch das vergangene ich des autors warten darauf, beleuchtet zu werden.
im dritten werk „nastya’s tears“ blieben natasha wardins augen auf einer frau namens nastya hängen. nastya stammt aus der ukraine. sie wurde während des zweiten weltkriegs in einer ländlichen stadt in der westukraine geboren und heiratete den arzt, in den sie sich verliebte. die beiden ließen sich in der hauptstadt kiew nieder und bekamen eine tochter nach ihrer heirat. ein solch scheinbar reibungsloses und gewöhnliches leben endete mit dem zerfall der sowjetunion im jahr 1991. „die ukraine erklärte ihre unabhängigkeit von russland und beschritt den weg der freien marktwirtschaft, nach dem sich viele menschen gesehnt hatten.“ was folgte, war eine inflation, die ersparnisse in verschwendung verwandelte in der zeitung wurde nastya nicht mehr bezahlt und konnte keinen job mehr finden, und auch ihre ehe mit ihrem mann ging in die brüche.
wie vor einem halben jahrhundert wurden ukrainische frauen zu orientalischen arbeiterinnen. um zu überleben, musste nastya nach deutschland gehen, um ihren lebensunterhalt zu verdienen. während ihrer arbeit als hausangestellte lernte sie ihre arbeitgeberin natasha wardin kennen. diese zerbrechliche und zurückhaltende ukrainerin erinnerte die autorin an ihre eigene mutter, und die autorin konnte nastyas exilartiges erlebnis in deutschland hautnah miterleben: denn ihre aufenthaltserlaubnis war abgelaufen um in deutschland zu bleiben und geld für den unterhalt ihrer familie zu verdienen, musste sie einen heiratsantrag machen. erst als ihr mann an einer krankheit starb, endete diese namensehe sie schien erleichtert zu sein: „denn die deutsche witwe nastya hatte nun eine unbefristete aufenthaltserlaubnis und ihre desaströse ehe hatte ihr eine witwenrente in höhe von siebenhundert euro in der neuen deutschen währung sowie einnahmen aus ihrem reinigungsjob beschert kann große geldbeträge in die ukraine schicken.“
ob identitätshintergrund oder lebenserfahrung, die figur der mutter der autorin wird in nastya immer deutlicher. die autorin betrachtet nastya unbewusst als gegenmittel zu familientraumata: „ich kann die dinge nachholen, die ich in meiner kindheit vermisst habe durch die verbindung mit ihr konnte ich wieder in mir vereinen, was die außenwelt lange von mir getrennt hatte.“ aber sie entdeckte bei nastya auch eine fast instinktive ablehnung, die auf die annäherungsversuche des schriftstellers mit schweigen und vermeidung reagierte.
zu diesem zeitpunkt hat sich diese frau, die keine blutsverwandtschaft mit der autorin hat, wirklich in die eltern der autorin integriert. „nastyas ablehnung ist nur eine art selbstschutz. ich kenne dieses symptom nur allzu gut. dahinter steckt eine scheinbare unfähigkeit dazu.“ die ausgerottete „slawenkrankheit“ brachte körperlichen hunger, krankheit und verbannung mit sich. wer sie erlebt hat, findet vielleicht eines tages wieder einen ort zum leben und essen „trilogie“, die erfahrungen der autorin selbst, ihrer eltern, der stammesangehörigen, die er in der sowjetunion nie getroffen hatte, und nastya – zwei generationen über ein jahrhundert hinweg erinnern uns erneut daran, dass die überreste, die durch die großen veränderungen der zeit entstanden sind, dies nicht tun werden sie verschwinden leicht, sie sind wie sonden, die ins blut fließen und umherwandern und die seit langem durchlöcherte und verschlossene spirituelle welt der erfahrenden und nachfolgenden generationen entdecken und ihre existenz in der neuen welt unsichtbar beeinflussen.
am ende von „nastyas tränen“ kehrte nastya in die ukraine zurück und beantragte die deutsche staatsbürgerschaft: „sie hielt sich nur einen fluchtweg für die zukunft frei für den fall, dass es in ihrer heimatstadt zu neuen katastrophen, wie einer neuen hungersnot, einem neuen bürgerkrieg oder … kommen sollte.“ eine neue diktatur.“ eine person muss entschlossen sein, jederzeit zu gehen, bevor sie es wagt, in ihre heimatstadt zurückzukehren. die tatsachen haben bewiesen, dass nastyas zweifel nicht unnötig waren. im jahr 2022 brach der russisch-ukrainische krieg aus und die schlacht um das asowsche stahlwerk rückte mariupol erneut ins rampenlicht. nach der besetzung der stadt begann der wiederaufbau. niemand weiß es.
standbilder aus dem dokumentarfilm „mariupol-ii“ (2022)